Donnerstag, 14. Juli 2011

NS-Täter: Kundgebungsverbot angedroht!

Artikel aus Indymedia vom 14.07.11


Die Versammlungsbehörde der Berliner Polizei drohte am heutigen Donnerstag mit einem weiträumigen Flächenverbot für die angemeldete Kundgebung anlässlich der Verurteilung des Reinickendorfer NS-Kriegsverbrechers Helmut O. Sein Anwalt fordert darüber hinaus ein völliges Verbot der Kundgebung. Die AG Reggio-Emilia kritisiert die reaktionäre Politik der Berliner Polizei, die eine Aufklärung der AnwohnerInnen bewusst verhindert und ruft weiterhin zu Protesten so nah wie möglich am Wohnhaus von Helmut O. auf. 

Mit der Begründung des Schutzes der Privatsphäre des in einem öffentlichen Verfahren verurteilten NS-Kriegsverbrechers Helmut O. verlangte die Versammlungsbehörde der Berliner Polizei heute die Verlegung der in Reinickendorf angemeldeten Kundgebung „Keine Ruhe für NS-Kriegsverbrecher!“. Ursprünglich war sie an der Kreuzung Becherweg/ Lübener Weg - in der unmittelbaren Nähe seines Wohnhauses - angemeldet. Nun wird die Kundgebung erzwungenermaßen an der Ecke Lindauer Allee/ Klenzepfad stattfinden, außerhalb des Wohngebietes. Die Kundgebung verliert damit gänzlich den Bezug zur Nachbarschaft des Verurteilten. Ein wichtiges Ziel der Proteste ist die Aufklärung der AnwohnerInnen.

Der ehemalige Hauptmann und Kommandant der Flak-Batterie der Wehrmachtsdivision „Hermann Göring“ Helmut O. muss trotz der rechtskräftigen Verurteilung seine Haftstrafe nicht antreten, da der deutsche Staat ihn nicht ausliefert: Deutschland weigert sich bis heute, NS-Kriegsverbrecher ohne ihr Einverständnis auszuliefern. Die wenigsten NS-Täter wurden für ihre Taten bestraft. In Deutschland wird man nicht gerne daran erinnert, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus von Deutschen begangen wurden. Daher leben die Täter weiterhin ungestört in unserer Nachbarschaft - einer von ihnen eben auch in Berlin-Reinickendorf.

Das nun dargebotene Schauspiel deutscher Tradition fügt sich in eine Kontinuität ein, welche in Westdeutschland bereits in den 50er Jahren etliche hochrangige Nazis wieder in Posten brachte, um Polizei und Geheimdienst der BRD aufzubauen. Bis heute wird in Deutschland nur halbherzig gegen deutsche Nazis und NS-Kriegsverbrecher vorgegangen und wie nun mal wieder deutlich wird, ist sich die deutsche Polizei selbst im Jahr 2011 nicht zu schade, die Privatsphäre eines öffentlich verurteilten NS-Kriegsverbrechers über eine öffentliche Aufklärung der BewohnerInnen zu stellen. Nicht nur dass die Berliner Polizei einen verurteilten NS-Massenmörder aufgrund der Politik der Bundesregierung nicht festnehmen muss und ausliefert, sondern darüber hinaus - in scheinbar vorauseilendem preußischen Gehorsam - die von der AG Reggio-Emilia kritisierte Ruhe durchsetzt, damit er seinen Lebensabend ohne von Protesten gestört zu werden genießen kann, muss als politische Entscheidung gewertet werden. Mit dem angedrohten Verbot hat die Berliner Polizei das Ziel einer Aufklärung der Nachbarschaft erfolgreich vereitelt. Zu Kompromissen war sie nicht bereit. Außerdem hat sich nach Informationen der Versammlungsbehörde nun auch der Anwalt des NS-Kriegsverbrechers Helmut O. eingeschaltet. Er verlangt ein völliges Verbot der Kundgebung.



Das Militärgericht Verona hat am 06. Juli neben sechs weiteren Deutschen den ehemaligen Hauptmann und Kommandant der Flak-Batterie der Wehrmachtsdivision „Hermann Göring“ Helmut O. zu lebenslanger Haft verurteilt. Er war an mindestens drei Massakern im Frühjahr 1944 in Norditalien beteiligt, bei denen mehr als 350 ZivilistInnen ermordet wurden – darunter zu einem großen Teil Alte, Frauen und Kinder. Der Reinickendorfer war der Angeklagte mit dem höchsten Dienstgrad.

Der Prozess in Verona war voraussichtlich einer der letzten NS-Prozesse dieser Größenordnung. Insgesamt wurden sieben Deutsche zu lebenslanger Haft verurteilt, zwei wurden freigesprochen. Der Reinickendorfer Helmut O. war der Angeklagte mit dem höchsten Dienstgrad. Im gleichen Verfahren wurde die Bundesrepublik als Gesamtschuldnerin zu mehreren Millionen Schadensersatz an hunderte Angehörige der Opfer, norditalienische Provinzen und lokale Gemeindeverwaltungen verurteilt.

„Wir fordern die Auslieferung der NS-Kriegsverbrecher und die sofortige Zahlung der Schadensersatzansprüche durch die deutsche Regierung. Die juristische Strafverfolgung der NS-Täter und die Anerkennung der von der Wehrmacht begangenen Kriegsverbrechen sind zwingende Voraussetzung, wenn Deutschland seine nationalsozialistische Vergangenheit als aufgearbeitet betrachtet sehen will. Wie die aktuelle Verbotsandrohung allerdings zeigt, sind wir davon noch weit entfernt!“, so Rolf Kleiber für die AG Reggio-Emilia.

Die AG Reggio-Emilia ruft weiterhin zu einer Kundgebung in der Nähe des Wohnhauses von Helmut O. auf, fordert seine Auslieferung und kritisiert außerdem die reaktionäre Politik der Berliner Polizei aufs Schärfste.

Quelle: http://de.indymedia.org/2011/07/311827.shtml

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